Von Fady Jomar. „Jetzt endlich kann ich den Familiennachzug beantragen.“ Das war das Erste, was mir in den Sinn kam, als die Mädchen im Zimmer riefen: „Komm, steh auf, du hast die Aufenthaltserlaubnis bekommen!“
Ein ganzes Jahr hatte ich auf dieses Papier gewartet: ein Jahr, in dem ich die Bombenangriffe auf Aleppo gezählt habe, in dem ich über die Bilder der zerstörten Häuser strich wie eine werdende Mutter über ihren Bauch. Ich spürte die Einschläge der Bomben wie das Strampeln eines Fötus in der Gebärmutter. Ich hörte die Schreie der Menschen und den Lärm der einstürzenden Häuser, hörte die Frequenz des Herzens meines Kindes und meines eigenen. Wie konnte es auch anders sein, wenn mein einziger Sohn dort feststeckte? Ein ganzes Jahr, in dem ich mir die Augenlider mit den Händen zuhalten musste, damit ich schlafen konnte. Ich fürchtete mich vor jeder neuen Nachricht aus Aleppo. Gleichzeitig war ich süchtig nach diesen Informationen und Hinweisen, auf die zu warten quälend und die zu erhalten schmerzhaft war. More