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Wie sich die Küchen doch ähneln!

Rita Bariche

Wie sich die Küchen doch ähneln!

Entdecke die deutsche Version von sieben unserer traditionellen Gerichte aus dem Osten.

Viele sagen, dass die deutsche Küche nichts mit der Küche des östlichen Mittelmeerraums gemein habe. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Nun gibt es in der deutschen Küche Butter anstelle von Olivenöl. Sahne, weiße Soßen und dicke Fleischsoßen, anstelle von Tomatenmark, Zitronen und Knoblauch. Wurzeln, Knollen und Kohl anstelle von Blattgemüse und bunten Früchten. Aber genau so wahr ist es – auch wenn es der gängigen Meinung widerspricht – dass das kulinarische Wissen ein geteiltes Gut unterschiedlicher Völker/Kulturen ist und sich auf erstaunliche Weise über Kontinente hinweg verbreitet. Die folgenden Zeilen sollen dies am Beispiel von sieben Gerichten zeigen, die hier und dort auf sehr ähnliche Weise zubereitet werden.

Basmashkat (Rinderrouladen)

Ob man es nun Basmashkat, wie in Damaskus, Kowaisat wie in Aleppo, oder Qabraghat wie im Nordosten Syriens nennt, immer ist ein beliebtes Festtagsgericht gemeint. Man verwendet hierfür entweder den relativ fettigen Rindernacken oder aber Schnitzelfleisch, füllt es mit Reis, Fleisch, Zwiebeln sowie Gewürzen und näht es dann zu. Diese gefüllten Fleischstücke brät man dann in Fett an oder schiebt sie in den Ofen, bevor man sie in einer Brühe kocht. Serviert werden sie dann mit einer Tomatensauße, in einer Fleischbrühe mit Zwiebeln und Gewürzen, oder aber auf Fette Tachine (Kichererbsenpüree mit Tahina und geröstetem Brot). Auch in Deutschland ist Basmashkat ein traditionelles Gericht welches man an Sonn- und Feiertagen reicht. Hier heisst es “Rinderroulade” und wird auf die gleiche Art zubereitet: Man belegt Kalbsschnitzel mit Gurken, Senf, Zwiebeln und Speck, rollt diese auf und kocht sie in einer Fleischbrühe mit Bier. Hierzu isst man Klöße und Apfelrotkohl.

Machschi Yackna (Kohlrouladen)

Bei all dem Kohl, der einem während des langen deutschen Winters begegnet, führt kein Weg an Kohlrouladen vorbei. Hierbei wird der gekochte Kohl mit einem Gemisch aus Hackfleisch, Gewürzen, Senf, Brot und Ei gefüllt, anders als im Osten, wo die Füllung zu gleichen Teilen aus Fleisch und Reis besteht. Diese Zutaten werden in  Kohlblätter eingerollt und dann im Ofen gebacken. In Deutschland reicht man dazu braune Fleischsoße und gekochte Kartoffeln.

Börek (Maultaschen)

Eines können wir mit Sicherheit feststellen: Vom fernen Osten bis hin nach Westeuropa gibt es eine ungeheure Anzahl von Rezepten, bei denen ein Teig aus Weizenmehl mit verschiedenen Arten von Gemüse, Fleisch und Gewürzen gefüllt wird: Asiatische Dumplings und Gyoza, indische Samosa, afghanische Mantu, russische Balminik (oder: Pelmeni), armenische Mantı, türkische Börek, griechisches Sbanakopita, italienische Ravioli und Tortellini, spanische Empanadas und deutsche Maultaschen. Vielleicht erklärt dies den Streit zwischen Chinesen und Italienern darüber, wer denn die Nudel erfunden hat. Brachte sie Marco Polo von Italien nach China oder war es umgekehrt?

Maultaschen sind köstliche Teigwaren, die ursprünglich aus dem äußersten Südwesten Deutschlands, der Region Schwaben in Baden-Württemberg, stammen. Wenn man die Bewohner dieser Region richtig ärgern möchte, braucht man dieses traditionelle Gericht nur als “Ravioli” zu bezeichnen. Man sagt, ein Mönch habe es erfundenes, um das gewürztes Fleisch, die Zwiebeln, den Lauch, die Karotten, das Brot, die Petersilie, die Eier und die Muskatnuss während der Fastenzeit in einer Teigtasche zu verstecken.

Rishtaya (Linseneintopf)

Rishtaya ist ein schweres Essen für kalte Wintertage, reich an Vitaminen und Mineralien. Dieser dicke Brei ist sehr nahrhaft, da er aus Mangold, Linsen, Kichererbsen, Koriander, Olivenöl, Knoblauch, Nudeln und Kartoffeln gekocht wird. Ähnliche Gerichte werden im Winter auch in Deutschland gegessen, sie heißen “Eintöpfe”, weil sie in einem einzigen Topf zubereitet werden. Ein “Linseneintopf” besteht beispielsweise aus Linsen, Speck, Sellerie, Karotten, Lauch, Kartoffeln sowie Petersilie, und wird mit Wiener Würstchen oder Bockwurst serviert.

Kufta (Frikadellen)

Die Frikadelle, die als der direkte Großvater des Hamburgers gilt, verdankt ihren Namen der Stadt Hamburg, von deren Häfen aus viele Auswanderer in die neue Welt aufbrachen. Diese saftigen Fleischbällchen, welche mit Senf und Muskatnuss verfeinert werden, kann man auf viele verschiedene Arten zubereiten. Auf Arabisch heissen sie “Kufta”, wobei das Wort aus dem Persischen kommt, wo es Hackfleisch bedeutet. Mittlerweile findet man dieses Gericht von Indien im Osten über Pakistan, den Iran, den Mittleren Osten, die Türkei, Griechenland, und Ägypten bis zum Balkan. Meist trägt es den gleichen Namen und ändert sich nur in Abhängigkeit des verwendeten Fleischs und der zusätzlichen Zutaten.

Salatat Al-Batata (Kartoffelsalat)

In unserem kulinarischen Gedächtnis ist dieses Essen fest mit dem Putztag verbunden, an dem unsere Mütter und Großmütter eine einfache und doch sättigende Mahlzeit zubereiteten, weil sie mit nie enden wollender Hausarbeit beschäftigt waren. Hierzu werden gekochte Kartoffeln mit  Olivenöl, Zitrone, Knoblauch, Salz, Petersilie und Lauchzwiebeln angemacht.

Das deutsche Rezept unterscheidet sich nicht wesentlich, anstelle der Lauchzwiebel verwendet man Schnittlauch und mariniert die gekochten Kartoffeln mit weißem Essig, Senf und Rapsöl. So bereitet man Kartoffelsalat in Süddeutschland zu, im Norden gibt man gekochte Eier und Mayonnaise hinzu.

Freekeh (Grünkern)

Seien Sie nicht überrascht: Auf dem Land essen auch die Deutschen gerösteten grünen Weizen, welcher unserem Freekeh entspricht. Seit langer Zeit ist es bei den deutschen Bauern Brauch, einen Teil des Weizens noch vor seiner Reife zu ernten, um sich gegen einen Ernteausfall durch schlechtes Wetter abzusichern. Ende Juli wird der noch grüne Weizen geschnitten und über einem Feuer aus Buchenholz geröstet, was ihm seinen besonderen Geschmack und Geruch gibt. Dann wird das Korn getrocknet – ursprünglich geschah dies mittels der Restwärme von Bäckhäusern -, wobei die Kornfeuchte von 50% auf 13% sinkt. So wird der Grünkern lagerfähig und man kann daraus im Winter eine schmackhafte Suppe bereiten.

Soweit bekannt kam diese Technik zum ersten Mal im Jahr 1660 zu Anwendung, in der bayerischen Stadt Amorbach. Etwa 8.350 Jahre früher, noch bevor der Mensch sesshaft wurde, war eine ähnliche Methode in der Levante bekannt. Auf dem Gebiet der heutigen Staaten Syrien, Libanon, Israel und Jordanien sammelte man damals wilden Weizen vor seiner Reife und verbrannte ihn, um ihn haltbar zu machen. Der Grund hierfür war natürlich nicht die Angst vor schlechtem Wetter: Die Körner des nicht-domestizierten Weizens fallen zu Boden sobald sie reif sind, um den Kreislauf des Lebens aufrechtzuerhalten, weswegen sie der Mensch vorher, wenn sie noch grün sind, ernten musste. Bei uns wird Grünkern traditionellerweise in den Weizenanbauregionen hergestellt: Im Nordosten und Südwesten Syriens und im Süden des Libanons. Nach der Ernte im Frühjahr entzündet man ein Feuer unter einem mit einem Netz bespannten Metallrahmen  und wirft das noch grüne Getreide darauf, so dass die Ähren schwarz werden und die Halme verbrennen. Danach werden die Weizenkörner gereinigt und zum Trocknen in die Sonne gelegt.

Übersetzung: Mirko Vogel, Mahara-Kollektiv, vogel@mahara-kollektiv.de

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