Souad Abbas, Chefredakteurin
Neues Jahr – Neues Leben
Als Minderheit im Ankunftsland durchleben Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten Ängste um ihre religiösen und ethnischen Traditionen. Fast alles in der Fremde kann für sie zu einer existenziellen Bedrohung werden.
Allerdings bringt die Migration auch Gegebenheiten mit sich, die neue Verhaltens, Denk- und Handlungsformen schaffen. Sie gesellen sich zu den bisherigen Traditionen der Migrantinnen und Migranten und sind vom Lebensstil in der neuen Umgebung inspiriert. Natürlich handelt es sich dabei manchmal um Pragmatismus und oft haben diese Handlungen nur einen vorübergehenden Nutzen. Sie sind dann Reaktionen auf Ängste der Migrantinnen und Migranten und auf das Gefühl der Ablehnung und Ausgrenzung. In anderen Fällen wiederum handelt es sich um bewusste Entscheidungen, in denen sich die Flexibilität widerspiegelt, die ihnen das Bestehen im neuen Leben abverlangt.
Mit der Zeit verändern sich die Gewohnheiten der Migrantinnen und Migranten. Das ist besonders deutlich bei Familien zu bemerken, deren Kinder die Schule besuchen. Die Familien erfahren allmählich von dem was die Kinder über die Sprache hinaus an neuen Verhaltensweisen lernen. Denn die Schule transportiert auch Traditionen, Verhaltensweisen, und Gewohnheiten. So lernen die Eltern die „andere Kultur“, in Einklang mit dem was das Bildungssystem für die Kinder vorsieht, kennen. Dazu gehört die Teilnahme an, von der Schule organisierten, Veranstaltungen ebenso, wie das Kennenlernen der vielfältigen Feiertage mit den dazugehörigen Festen in der Schule.
Anlässe wie Ostern oder Weihnachten und der obligatorische Austausch von Geschenken mit deutschen Nachbarn oder Freundinnen und Freunden sowie Einladungen zum gemeinsamen Essen, zu dem traditionelle syrische oder deutsche Gerichte aufgetischt werden, sind zu einer Selbstverständlichkeit für Viele geworden. Das Schmücken eines Weihnachtsbaumes ist nicht mehr mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit verbunden. Denn Religionen, wenn sie richtig verstanden werden, sollen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht beeinträchtigen.
Viele scheinbar unbedeutende Details fingen an in dem Alltag von Geflüchteten, Migrantinnen und Migranten eine Rolle zu spielen. Der Arbeitsmarkt erfordert neue Verhaltensweisen. So zum Beispiel im alltäglichen Kontakt mit deutschen Kolleginnen und Kollegen. Damit werden zum einen kulturelle Unterschiede deutlicher und zum anderen wird die Flexibilität im Umgang mit Anderen trainiert. Folglich verstärkt es den Austausch mit der deutschen Gesellschaft.
Es ist kein Geheimnis, dass die meisten syrischen Geflüchteten – und vor allem die jüngeren unter ihnen, die die größte Gruppe stellen – durch Ausbildung, Studium und Arbeit versuchen ihre Chancen zu erhöhen dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Die größte Herausforderung bleibt die Überwindung von Ängsten bezogen auf die eigene Identität und Wurzeln, denn sie führt zur Abschottung und Entfremdung von der Ankuftsgesellschaft. So haben es die Erfahrungen älterer Generationen von Migrantinnen und Migranten gezeigt. Ihre Ängste haben sie zu einer besorgt und sozial isoliert wirkenden Gruppe gemacht, die Diskriminierung und Exklusion ausgesetzt ist.
Die Zeitung „Abwab“ befindet sich heute im fünften Jahr ihres Bestehens und strebt weiterhin danach sich in der deutschen Medienlandschaft zu verankern, ihre Zugehörigkeit zu diesem Land zu festigen und sich verstärkt den Themen zu widmen, die ihre Leserschaft – und im Besonderen die Geflüchteten, Migrantinnen, Migranten und Neuankommenden unter ihnen – beschäftigen. Ein frohes neues Jahr Ihnen!
Übersetzung: Marvin Lüdemann, Netzwerk Mahara-Kollektiv
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