Im Alter von 49 Jahren ist die syrische Künstlerin May Skaf in ihrem Pariser Exil, in dem sie seit einigen Jahren lebte, verstorben. Sie starb zwar nicht einsam, aber traurig und erschöpft, trotz aller Projekte, die man an sie herantrug, nicht nur in Paris. Zuletzt war sie Teil der Kunstaktion „Flüchtlinge Fressen. Not und Spiele“ am Maxim Gorki Theater Berlin mit dem Philipp Ruch für die Einführung von legalen Fluchtmöglichkeiten- und wege warb.
Dabei war May Skaf nicht nur eine Schauspielerin, die hier und in Syrien den offiziellen Kulturapparat und seine Schauspieler herausforderte. Mit ihrem Tod ist eine Oppositionelle von uns gegangen, die seit den ersten Tagen der Revolution im April 2011 die Kultur ins Innerste der syrischen Revolution gepflanzt hatte. Sie verkörperte die Freiheit und den Mut, die sie brauchte. Viele junge Leute in Syrien, die sie und ihre liebenswerte Präsenz liebten, gaben ihr den Beinamen „Ikone der Revolution“ oder nannten sie „die freiheitsliebende Revolutionärin“.
May war trotz all der aufeinanderfolgenden Enttäuschungen nach der Revolution nicht verzweifelt, sondern bemühte sich, ihre Arbeit im Exil fortzuführen. Etwa mit der „Demonstration gegen Chemikalie“, die sie im Pariser Jardin de Luxemburg aufführte. Zuletzt probte sie das Theaterstück „Manifestationen der Leiden vergewaltigter Syrerinnen“– es war ihr nicht mehr vergönnt, die Premiere mitzuerleben.
Die Größe und die Suche nach Herausforderungen, die ihr eigen waren, veranlasste sie, 2004 in Damaskus das Theatro-Institut für dramatische Praxis zu gründen. Sie begann ihre Arbeit in einem kleinen Saal im Damaszener Shahbanderviertel, den sie auf eigene Kosten gemietet hatte – etwas, das nur wenige Kulturschaffende in Syrien bereit waren zu tun – bis sie aufgrund von Einschüchterungen der Staatssicherheit in das Kanalviertel und danach nach Dscharamana umzog, bis die Schauspielschule Anfang 2012 ganz dicht gemacht wurde. Dieses Institut bot denjenigen jungen Leuten, die Schauspiel studieren wollten, aber aufgrund der willkürlichen Zulassungen nicht am staatlichen Hohen Theaterinstitut aufgenommen wurden, ein Forum. Folglich unterrichteten am Theatro auch Schauspiellehrer, die außerhalb des offiziellen Systems standen.
Der erste Absolventenjahrgang verließ im Jahr 2009 das Institut – dank der Unterstützung der Künstlerinnen Amal Umran, Hanan Shuqair, Amal Huwaidscha und Samer Umran sowie des Dichters Dschulan Hadschi. Es erstaunt deshalb nicht, dass eines ihrer Hauptprojekte im Exil die erneute Gründung des Theatro in Paris gewesen ist.
Mit dem Ausbruch der Revolution setzte May all ihre Kraft und Energie für den Erfolg dieser Revolution ein, die sie als „die ihre“ betrachtete. Sie unterzeichnete, was als das Manifest der Milch (Bayan al-halib) bezeichnet wurde. Viele der Unterzeichnenden sahen sich in der Folge einer Boykott- und Diffamierungskampagne ausgesetzt, die von Nadschdat Anzur, einem TV-Redakteur, der für das Regime und gegen die Oppositionellen kämpft, geleitet wurde, darunter auch May.
Sie nahm an zahlreichen friedlichen Demonstrationen und zivilgesellschaftlichen Sit-Inns teil. Sie engagierte sich konkret und materiell, um dann schließlich im Juli 2012 auf der sogenannten Protestaktion der Intellektuellen im Maidan-Viertel festgenommen zu werden.
Obgleich ihre Haft nicht lange dauerte, litt sie sehr unter den Einschüchterungen des Geheimdienstes und den permanenten Drohungen, die sie und ihre Familie danach trafen. Trotzdem entschloss sich May erst nach ihrer zweiten Inhaftierung 2013 dazu, das Land mit ihrem Sohn Dschud zu verlassen, um über Jordanien ins Pariser Exil zu entkommen. Dort starb sie am 23. August 2018. Woran? Es war ein Herzinfarkt, aber May trauerte, sie hatte letztes Jahr ihre Mutter und ihre Schwester verloren.
May Skaf war eine wahrhaftige Künstlerin, die von einer schöneren Welt träumte, in der ihr Sohn in einem Heimatland aufwachsen können würde, in dem kein Diktator namens Baschar al-Assad regiert, in einem Syrien, das den Syrern und nicht der Baath-Partei gehört. Sie glaubte an die Revolution, träumte von Freiheit und Gerechtigkeit, kämpfte für Demokratie und Gleichheit. Sie hat trotz allem weiterhin all ihre Energie eingesetzt, um diesem Ziel ein Stück näherzukommen – doch der Tod war schneller. Sie verließ unsere Welt, aber ihr Geist bleibt in der Erinnerung als ein Beispiel, ein Vorbild, als Schönheit. Wir sehen uns wieder in einer schöneren Welt, du freie, schöne May Skaf!
Ein Teil von der Übersetzung von Arabisch bei: Stephan Milich
Der arabische Text von Rosa Yassin Hassan