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Ein Wort so lang wie der Weg: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Rassismus oder Benachteiligung am Arbeitsplatz können in Deutschland belangt werden, doch die wenigsten Betroffenen gehen diesen Schritt.

Lanna Idriss

Brauchen wir eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes? Arbeitnehmerverbände, linke Parteien, Gewerkschaften u.a. meinen: JA. Das Antidiskriminierungsgesetz, so wird es im täglichen Umgang meist genannt, bedarf einer zielgerichteten Überholung. Denn gut 12 Jahren nach Entstehung muss resümiert werden: Strukturell geholfen hat das Gesetz nicht viel. Anlass für die erneute Diskussion, ist u.a. ein kürzlich ergangenes Urteil, das den Kirchen in Deutschland ihre existierende Ausnahmeregelung nicht weiter zu gesteht, und an dessen Ergebnis sich Vertreter beider Seiten aufreiben.

Im Falle einer Überarbeitung des AGGs kündigen Vertreter der Wirtschaft Widerstand an. Das Wachstum – also der heilige Gral – der deutschen Unternehmen, ist ihrer Meinung nach sonst in Gefahr. Erinnern wir uns gemeinsam an das Jahr 2006, als das Gesetz in Kraft trat. Tsunamiartige Klagewellen, AGG Hopper Schwärme und fantastischen Kosten wurden prophezeit. Und was ist passiert? Nicht wirklich viel. Also warum annehmen, dass es dieses Mal so sein wird. Wer hat also ein Interesse daran diesen Eindruck zu vermitteln?

Fragen wir uns lösungsorientiert, was müsste denn getan werden? Die ehemalige Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Christine Lüders, nannte das Gesetz 2016 einen Meilenstein. Aber gemäß der ebenfalls von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beauftragten letzten großen Studie, haben in den Jahren 2014-2016  ca. 50% der Bevölkerung Erfahrungen mit Diskriminierung am Arbeitsplatz gemacht. Eine erschreckend hohe Zahl. Die Diskriminierungs-Favoriten sind Alter (14,2 %) und Geschlecht (9,2%). Ein Ergebnis, dass nicht wirklich überrascht.

Das AGG war zwar hilfreich bei der Schärfung der öffentlichen Wahrnehmung, hat aber deutlich weniger zu einer Disziplinierung der Arbeitgeber geführt, als damals erhofft. Denn kaum jemand der diskriminiert wird, zieht tatsächlich vor Gericht. Das liegt zu einem an den Prozesshürden, die das Gesetz mit sich trägt, wie z.B. kurze Fristen und geringe Schadensersatzsummen und zum anderen vielleicht an der Übermacht der Entscheider.

Das AGG hat es auch nicht geschafft eine strukturelle Benachteiligung z.B. bei Frauen in den Griff zu bekommen. Die Anzahl der Frauen im Bundestag: rückläufig (ganz im Gegensatz z.B. zu den Midterm-Wahlergebnis der USA), der geringen Anteil an weiblichen Dekanen an deutschen Universitäten: Besorgnis erregend und die Anzahl der weiblichen CEOs in DAX und MDAX Unternehmen: zu vernachlässigen. Einzig der Start-up Branche gelingt eine völlig andere Zusammensetzung ihrer Arbeitnehmerschaft, insbesondere in Bezug auf kulturellen Hintergrund und sexueller Orientierung.

Bezüglich des Alters ist es ohnehin demographisch geboten ältere Kollegen integrativ einzubinden und zu fördern. Selbst wenn es gelingen würde, einen gewissen Prozentsatz der bisher nicht erwerbstätigen Migranten und Frauen in Fach- und Führungspositionen zu entwickeln, wird das rein zahlenmäßig nicht reichen. Die über 60zig Jährigen werden dringend gebraucht. Aber Diversitäts-Management ist bei der Mehrheit der deutschen Unternehmen noch nicht richtig angekommen. Ausnahme wieder die Start-Up Branche, die sich über die Abwehrkräfte der Old Economy verschmitzt lächelnd wundert.

Denn Unternehmen, die Vielfältigkeit in ihrer Ressourcenbeschaffung berücksichtigen, sind und werden erfolgreicher sein als andere. So zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie  McKenzies: Diversität in Vorstandsetagen und Projektteams zahlt sich aus – bis zu 43% höhere Renditen konnten nachgewiesen werden. Kluge Köpfe in allen Farben, Geschlechtern und Kulturen werden benötigt und ihre Benachteiligung ist kontraproduktiv. Eine Überholung des AGGs ist zwar notwendig, reicht aber nicht aus. Es bedarf im Rahmen einer Wirtschaftsförderung Diversitätsmaßnahmen, weitreichende Aufklärung sowie Anreizsysteme. Nur so wird sich die Diskriminierung in der Arbeitswelt nachhaltig verringern und der Weg zur Gleichbehandlung kürzer.

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