Von Maya Darwish
Weit entfernt der eigenen Heimat zu sterben, macht vielen Flüchtlingen in Deutschland so sehr Angst, dass sie nachts wachliegen. Das gilt insbesondere für diejenigen, die wegen der Kriege in ihren Heimatländern auf absehbare Zeit nicht zurückkehren können. Wenn ein Angehöriger im Exil verstorben ist und sie sich um die Bestattung kümmern müssen, leiden viele Flüchtlinge unter der Langsamkeit des Bestattungsprozesses sowie unter den horrenden Kosten für eine Grabstatt. Nicht umsonst geht in Deutschland der Trend mittlerweile zu Feuerbestattungen, wie der Bundesverbands deutscher Bestatter e.V. unlängst feststellte.
Das Einäschern war in Deutschland lange Zeit keine verbreitete Praxis. Aus Sicht des Christentums ist die Feuerbestattung generell nicht zu befürworten. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch sind Einäscherungen in Deutschland immer populärer geworden: Laut Bundesverband der Bestatter wurden im Jahr 2015 knapp 60 % aller Verstorbenen eingeäschert. Der Verein Aeternitas e.V., der im Bereich Bestattungskultur aktiv ist, gibt sogar an, dass im gleichen Jahr in Ostdeutschland in 80 % aller Fälle Feuerbestattungen durchgeführt worden seien.
Der Tod in Deutschland ist nicht billig
Aufgrund der hohen Kosten für Bestattungen bleibt den Hinterbliebenen manchmal keine Wahl. So erzählt Miriam* aus Fulda: „Vor etwa einer Woche verstarb mein Vater, nachdem seine Krebserkrankung sich in den letzten sechs Monaten arg verschlimmert hatte.“ Die finanziellen Mittel, um eine Grabstelle auf dem Friedhof zu kaufen, habe sie nicht. Auch für eine Feuerbestattung reiche es nicht. „Alles, was ich habe, sind 700 Euro. Freunde und Verwandte haben mir den fehlenden Betrag für die Feuerbestattung gegeben.“ In Fulda koste diese zwischen 900 und 1.500 Euro, während die Kosten für eine Erdbestattung zwischen 2.500 und 5.000 Euro schwankten.
Noch schwieriger wird es, wenn der Verstorbene Flüchtling ist und seine Familie sich nicht in Deutschland aufhält. So konnte der Jugendliche Ahmed*, der in einem Düsseldorfer Krankenhaus verstorben war, nicht bestattet werden. Laut Aussagen seiner Freunde und Bekannten hatte er einen Herzinfarkt erlitten, nachdem ihm die Aufenthaltserlaubnis verweigert worden war. Das zuständige Sozialamt weigerte sich, die Kosten zu übernehmen. Da Ahmed keine Hinterbliebenen hatte, die das Begräbnis hätten finanzieren können, sahen sich die Behörden schließlich gezwungen, seinen Leichnam zu verbrennen.
“Der ganze Vorgang der Bestattung unterliegt einer strengen Bürokratie”
Saleh Ibrahim, Leiter des Vereins Al-Huda in Kassel, der sich um die Bestattung muslimischer Verstorbener kümmert, erklärt: „In Deutschland verstorbene muslimische Araber zu bestatten ist äußerst kompliziert. Der ganze Vorgang der Bestattung unterliegt einer strengen Bürokratie.“ Der erste Schritt sei es, den zuständigen Arzt um die Ausstellung eines Totenscheins zu bitten. Danach müsse beim Standesamt eine Sterbeurkunde beantragt, die Erlaubnis zur Bestattung eingeholt und ein Termin zur Aushebung des Grabes bestimmt werden. „Falls der Verstorbene zu Lebzeiten den Wunsch signalisiert hat, in sein Herkunftsland überführt zu werden, müssen weitere Maßnahmen getroffen werden. Üblicherweise dauert der Bestattungsvorgang dann über eine Woche.“
In jedem Fall sei es wichtig, dass ein Arzt den Leichnam vor der Bestattung untersuche, um die Sterbeursache eindeutig festzustellen, meint Saleh Ibrahim. „Ansonsten kann keine Bestattungserlaubnis erteilt werden.“ Wenn der Verdacht eines nicht natürlichen Todes besteht, kann all das sehr lange dauern. Für viele muslimische Familien stellen diese Verzögerungen einen Schock dar, da sie ihre Toten innerhalb von 24 Stunden bestatten müssen. Die islamische Bestattung erfordert außerdem ein Begräbnis ohne Sarg, was in Deutschland größtenteils nicht erlaubt ist. Gesetze, die Muslimen eine Bestattung gemäß der islamischen Scharia ermöglichen, bestehen in Deutschland nicht.
Muslimische Versicherungskassen bezahlen Bestattungskosten
Aber was ist zu tun, wenn kein Geld für die Bestattung vorhanden ist? „Das Jobcenter steuert bis zu 800 Euro zu den Kosten hinzu“, erklärt Saleh Ibrahim, „beispielsweise wenn der Verstorbene Flüchtling war oder alle Hinterbliebenen arbeitslos sind.“ Islamische Vereine und Verbände haben außerdem begonnen, unter muslimischen Arabern und Türken in Deutschland zur Beteiligung an Versicherungskassen aufzurufen, die Bestattungskosten abdecken können.
Mohammed Herzog, ehemaliger Präsident der Islamischen Gemeinde deutschsprachiger Muslime in Berlin, ist vom Nutzen dieser Kassen überzeugt: „Das ist eine gute Lösung, da die kompletten Kosten für eine Beerdigung übernommen werden: also für die Bestattung nach islamischer Sitte und die Überführung des Leichnams – innerhalb wie außerhalb Deutschlands. Alle Mitglieder der Kasse bezahlen einen Jahresbeitrag, der sich auf etwa 25 Euro beläuft, aber je nach den finanziellen Umständen des Mitglieds auch höher ausfallen kann.“
Wenn ein Flüchtling in Deutschland stirbt, wird er oder sie auf jeden Fall wie ein deutscher Staatsbürger behandelt. Friedhöfe in Deutschland sind nicht nach Nationalitäten, sondern nach Religionen getrennt. Es gibt also Friedhöfe für Christen, Muslime und Juden, aber auch Friedhöfe, die keiner Religion zugeordnet sind. Die muslimischen Friedhöfe werden von Verbänden und Vereinen sowohl der arabischen als auch der türkischen Gemeinden in Deutschland betreut.
*Name von der Redaktion geändert.
Aus dem Arabischen übersetzt von Benedikt Römer.