Von Lilian Pithan
Das Klingende Museum in Berlin ist für seine Instrumentensammlung bekannt, für sein umfangreiches Workshopprogramm und seinen Musikgarten. Auch an diesem Novemberabend tönt es laut durch die Räume des Museums, doch das liegt zur Abwechslung mal nicht an der hohen Instrumentendichte. Mehr als 40 Personen sind gekommen, um am ersten Treffen des Musikernetzwerks „The Tent – Alkhaimeh” teilzunehmen.
Mitten unter ihnen steht Nabil Arbaain, ein 35-jähriger Lautenspieler aus Damaskus, dessen Mission es ist, Einheimische und Neuankömmlinge in der Berliner Musikszene zusammenzubringen. „Berlin ist so multikulturell. Hier gibt es unglaublich viele Künstler aus verschiedenen Kulturen”, meint Arbaain. Wer hier neu sei, wisse aber oft nicht, wie er Anschluss an die Szene finden könne. „Deswegen habe ich vor einigen Monaten The Tent gegründet.”
Das Zelt, auf Arabisch „al khaimeh”, ist ein uraltes Symbol nomadischer Völker und somit auch der ersten Araber. Für Nabil Arbaain ist es jetzt außerdem zu einem Symbol aller Geflüchteten geworden. In seiner Heimatstadt Damaskus hatte er 2005 einen Musikladen eröffnet, der auch schon den Namen Alkhaimeh trug, und in dessen Räumen eine Musikproduktionsfirma aufgebaut. Als die Sicherheitslage immer schlechter wurde, musste er 2014 über den Libanon und die Türkei nach Deutschland flüchten. Seit 2015 lebt Arbaain in Berlin und hat selbst als Lautenspieler schon einige Erfahrung in der städtischen Musikszene gesammelt. Mit seinem Netzwerk will er gleich mehrere Dinge erreichen: „Zum einen soll The Tent den Austausch von Sprachkenntnissen, Wissen und Instrumenten anregen. Zum anderen wollen wir Neuankömmlingen helfen zu verstehen, wie das Musikbusiness in Deutschland funktioniert und welche Gesetze man dabei beachten muss.” Für die Veranstaltung hat sich Arbaain Hilfe von zwei Organisationen geholt, die ebenfalls die Vernetzung in der Musikszene vorantreiben wollen: Das CreAid Network Berlin schlägt Brücken zwischen geflüchteten Musikern und der Musikindustrie. Der Verein Give Something Back to Berlin (GSBTB) organisiert Veranstaltungen, bei denen Neuberliner auf Alteingesessene treffen. Und auch das Klingende Museum gehört zu den Mitorganisatoren.
Ein Ziel von The Tent ist es außerdem, Musiker darin zu unterstützen, die musikalischen Traditionen von Ost und West zu verbinden. Beim Treffen im November braucht es dazu nur wenig Anleitung. Kaum ist die Bühne freigegeben, mischen sich die Klänge von Klarinette, Klavier und Schlagzeug mit englischen Lyrics und arabischen Lautenmelodien. Auch Berivan Ahmad, eine Percussionistin aus Alhasaka, ist dabei: „Es ist schön, dass wir hier zusammen Musik machen und improvisieren können, auch wenn wir uns vorher gar nicht kannten.” Die tolle Atmosphäre habe sie sehr beeindruckt, meint die 26-Jährige und fügt hinzu: „Das ist ein ganz guter Ausdruck des Berliner Lebensgefühls.”
Nicht nur klassische Musiker und Singer Songwriter haben den Weg ins Klingende Museum gefunden, sondern auch ein paar Rapper. Taha Sheikh Dieh kommt aus Aleppo und versucht momentan, sich einen Namen in der alternativen Berliner HipHop-Szene zu machen: „Am besten finde ich es, dass man hier genau das finden kann, was einem in der eigenen Band oder Musik noch fehlt.” Es sei nicht schwer, mit anderen Musikern ins Gespräch zu kommen: „Ich selbst habe heute Abend einen Syrer getroffen, der HipHop-Beats macht, und das war genau das, was ich noch brauchte.” Im Laufe des Abends steht Sheikh Dieh mehrmals auf der Bühne und singt auch ab und zu mal ein Duett.
Immer wieder mischt sich lautstarkes Gelächter in die Musik. Die Stimmung ist gut, auch zu später Stunde stoßen noch neue Musiker zur Gruppe. Am Ende wird nicht nur auf der Bühne gejammt, sondern auch im Eingangsbereich. Man redet über mögliche gemeinsame Musikprojekte, die eigene Heimatstadt und den schwierigen Neuanfang in Berlin. Diese menschliche Komponente ist Nabil Arbaain wichtig, denn man dürfe nicht vergessen, warum viele der Musiker in Berlin seien: „Wir müssen das musikalische Erbe der Länder bewahren, die momentan von schrecklichen Kriegen zerstört werden. Das können wir tun, indem wir die neu ankommenden Künstler unterstützen und ihre Arbeit dokumentieren.” In fünf Jahren würde Arbaain The Tent gerne zu einem Kulturzentrum für Weltmusik ausgebaut haben. Den ersten Schritt haben er und seine Mitstreiter an diesem Novemberabend im Klingenden Museum getan.
Wer sich über die Veranstaltungen von The Tent – Al Khaimeh auf dem Laufenden halten will, kann der Facebook-Gruppe “The Tent Musician Meet-Up” beitreten.