Liebe Anke, du hast mir einen tadelnden Brief geschickt, in dem du mich erstaunt fragst: „Warum hasst du Deutschland so, Walaa? Ich lese deine Beiträge auf Facebook, von denen der elektronische Übersetzer das meiste nicht übersetzen kann. Aber das, was ich von den ironischen Texten und Fotos verstanden habe, macht mir deine große Freude über die Niederlage der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der vergangenen Europameisterschaft deutlich.”
Dein Brief hat mich anfangs verwundert, aber nach kurzer Zeit fiel mir ein, dass ich dir einiges über uns erzählen muss. Über uns aus dem Nahen Osten – oder insbesondere aus Syrien, um diese Unklarheit gleich auszuräumen. Du sollst wissen, meine Liebe: Ich hasse Deutschland nicht und die Deutschen natürlich auch nicht. Ich bin viel zu einfach gestrickt, um wirklich zu hassen. Selbst wenn ich wütend bin, dann ist diese Wut gegen jede Demütigung, die ich erlebe oder beobachte, gerichtet. Das ist meine Art, mit all den Konflikten, die aus der Einteilung von Menschen in Dualismen resultieren, umzugehen: Weiß und Schwarz, Ost und West, Gastgeber und Flüchtling… Ich werde sogar wütend, wenn ich mit meinen Landsleuten über die Lage in unserem Land streite. Die ganze Welt ist darin verwickelt und richtet ein Blutbad an, das wirklich schockierend ist. Und das mich dazu veranlasst, das heutige Datum nachzuprüfen, um mich zu vergewissern, dass wir nicht im Mittelalter leben! Obwohl ich erst vor Kurzem einen datierten Brief erhalten habe, muss ich den Zeitpunkt überprüfen. More