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Ein Mangel an psychischer Gesundheit

Ein Mangel an psychischer Gesundheit
Ein Mangel an psychischer Gesundheit

Souad Abbas, Chefredakteurin

Der Welttag für psychische Gesundheit, der jeweils am 10. Oktober begangen wird, wurde dieses Jahr in Syrien von großflächigen Brandrodungen begleitet. In den sozialen Netzwerken teilten über die ganze Welt verstreute Syrerinnen und Syrer ihren tief empfundenen Schmerz, wohingegen andere ihrer Schadenfreude Ausdruck verliehen und Anschuldigungen verbreiteten – wie bei jedem Ereignis, das Syrien betrifft. Tausende machten den Anlass selbst zum Ziel ihres Spotts und taufen ihn in den “Tag der fehlenden psychischen Gesundheit” um. 

Seit ihrer Ankunft in Europa werden die Geflüchteten nicht als Opfer von Krieg und Menschenhandel gesehen, sondern zuerst als “Gerettete”, und dann als Last für die Aufnahmegesellschaft, die von ihnen erwartet, sich sofort in das Hamsterrad der “Integration” zu begeben. Trotz der enormen Anstrengungen der Aufnahmeländer für die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Geflüchteten war ihre psychische Gesundheit nie eine Priorität der Politik. Insbesondere seit 2015 zeigte sich, wie wenig das deutsche Gesundheitssystem darauf vorbereitet war, bei einer großen Anzahl von Neuankömmlingen, die der deutschen Sprache kaum mächtig waren, eine psychologische Bewertungen vorzunehmen. Erschwerend kamen Faktoren wie Verdrängung sowie die Angst vor einer Stigmatisierung hinzu.

Im Juli des vergangen Jahres wurden Schätzungen veröffentlicht, denen zufolge ein Drittel der Geflüchteten unter psychischen Problemen leidet, welche von Depression über posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zur Schizophrenie reichen. Das ist wenig verwunderlich, verschwinden doch traumatische Erfahrungen nicht mit dem Überschreiten der Grenze zum sicheren Zufluchtsland. So leben nun Tausende in einem permanenten Zustand von Unsicherheit und Ungewissheit, in dem die Schwierigkeiten des kaum zu bewältigenden Alltags nur wenig Raum lassen für die großen Fragen nach der Identität, der Zugehörigkeit und dem Verständnis von Heimat. Auch kann sich ein Verständnis der neuen Lebensrealität nur schwierig entwickeln angesichts einer Zukunft, die durch die Gültigkeit des Aufenthaltstitels begrenzt wird.

Die mediale Aufmerksamkeit für von Einwanderern begangene Gewaltverbrechen, insbesondere wenn es sich um terroristische Anschläge handelt, nutzen einig Politiker, um Abschiebungen als Werkzeug der Wahl vorzuschlagen, mit dem man sich der der Flüchtlinge samt ihrer Probleme entledigen könne. Hierbei handelt es sich eine Art Kollektivstrafe für Gruppen, die nach dem “Integrationsgesetz” eigentlich Teil der deutschen Gesellschaft werden müssen. 

All die aufgezählten Faktoren sind ausreichend um die psychische Stabilität ein jedes Menschen zu erschüttern. Wenn wir diese schwierigen Lage verstehen, gelingt es uns vielleicht zumindest als Individuen, ein Verständnis für das Ausmaß der Krise zu entwickeln. Hoffentlich führt das zur Entwicklung langfristiger Programme zur psychologischen Unterstützung für alle hier lebenden Menschen – ohne Diskriminierung oder Stigmatisierung.

Übersetzung: Mirko Vogel, Mahara-Kollektiv

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