Souad Abbas, Chefredakteurin
Die sich überschlagenden Neuigkeiten von Aufständen im Irak, im Libanon, in Chile und neuerdings im Iran halten die nicht nur die Syrer, sondern die Gesamtheit der arabischen Geflüchteten in Atem.
Hinzu kommt noch die türkische Aggression im Nordosten Syriens, dessen Territorium und Luftraum schon lange von ausländischen Streitkräften nach Belieben missbraucht wird.
Wegen dieser intensiven Beschäftigung mit internationaler Politik nehmen viele Geflüchtete die innenpolitischen Entwicklungen in ihren Aufnahmeländern kaum war, was angesichts der Schwierigkeiten, die ein Neubeginn in der Fremde mit sich bringt, wenig verwunderlich ist.
Hiermit ist nicht nur die gängige Interpretation von “Integration” gemeint, also der Spracherwerb und das Finden einer Arbeitsstelle und einer Wohnung samt des damit einhergehenden bürokratischen Rattenschwanzes.
Die wirklich relevante Frage verbirgt sich hinter dem Begriff “Ersatzheimat”: Wie kann unser Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Zufluchtsort so sehr wachsen, dass er zur Heimat wird, wenn wir unsere Interaktion mit ihr auf das Nötigste beschränken?
In den letzten Monaten wurde für Deutschland, das unter allen europäischen Ländern die meisten Syrerinnen und Syrer aufgenommen hat, mehrfach eine Rezession prognostiziert. Zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt soll die deutsche Wirtschaft schrumpfen, hauptsächlich wegen des Brexits und der anhaltenden Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China, die sich negativ auf den Exportsektor auswirken.
Hinzu kommen die nicht enden wollenden Verwerfungen in der großen Koalition, wie sie Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat, welche einer effektiven Wirtschaftspolitik im Weg stehen, die zu eine rasche Erholung der Märkte beitragen könnte. Die jüngsten Prognosen haben die Angst vor einer Rezession zerstreut, ohne jedoch Hoffnungen auf eine baldige wirtschaftliche Erholung zu schüren.
Wer sich vor Kurzem in Deutschland niedergelassen hat, sollte diesen Nachrichten die gebührende Aufmerksamkeit schenken, denn jeder wirtschaftliche Abschwung wird sich direkt auf ihre Leben auswirken, wie auch auf das Leben aller anderen Bewohner des Landes
Hinzu kommt die erwartbare Instrumentalisierung eines solchen Abschwungs durch rechte Propaganda, die bei den Geflüchteten immer zumindest eine Teilschuld sieht.
Somit ist es allen Geflüchteten eine Pflicht, ihre Ersatzheimat besser kennen zu lernen und die politischen und wirtschaftlichen Nachrichten zu verfolgen. Dann können sie in naher Zukunft als Wählerinnen und Wähler jene Veränderungen anstoßen, die den rechten Kräften den Boden entziehen.
Übersetzung: Mirko Vogel, Mahara-Kollektiv
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