Souad Abbas . Abwab- Chefredakteurin
Es geht im folgenden Text nicht um die Bundestagswahl, das wichtigste Ereignis, das in Deutschland kürzlich stattgefunden hat. Er behandelt auch nicht den schlimmsten Aspekt der Wahl, den Aufstieg der Rechten. Und auch nicht das Massaker von Las Vegas. Folgende Zeilen sprechen über die gemeinsame Wurzel all jener Ereignisse: Die Angst.
Die Angst vor Terrorismus, die Angst vor dem Vorwurf des Terrorismus. Die Angst vor Rassismus und vor dem Vorwurf des Rassismus. Vor Armut, dem Sozialversicherungssystem, wirtschaftlichem Wettbewerb und der Zukunft. Die alltägliche Angst vor dem Unbekannten, der die Wohnung gegenüber bewohnt, die Angst vor einem Rassisten, der gerade vorbeiläuft, die Angst vor einem dunkelhäutigen, bärtigen Mann.
Vielleicht ist die Angst das größte Bindeglied zwischen Migranten und Deutschen. Dieses Gefühl, das alle gleichermaßen ereilt, wie unterschiedlich sie auch sein mögen.Meistens wird die Angst durch die Präsenz eines Feindes hervorgerufen. Obwohl es sinnvoll wäre, den eigenen Feind kennenzulernen, ist die Gefahr in den Sog der Politik und Propaganda hineinzugeraten allgegenwärtig. Da wird dann der Migrant zum Terroristen und der Bürger zum Rassisten. Beide Seiten verfallen kruden Stereotypen, vorgefertigte Meinungen setzen sich durch und verstärken die Ignoranz, anstelle einer authentischen Begegnung mit dem Anderen. Politische Machtkämpfe werden zu vermeintlichen Feindschaften, die von unterschiedlichen Seiten instrumentalisiert werden, um die eigenen Interessen voranzutreiben und Wahlerfolge zu erzielen.
Der Anteil der “Ausländer” an der Gesamtbevölkerung ist auch nach der letzten Flüchtlingswelle relativ gering, sodass er keine Gefahr für die Sicherheit der deutschen Gesellschaft darstellt. Dieser Anteil wird weder die Kultur des Landes verändern, noch an dem was als “Leitkultur” bezeichnet rütteln. Die Gefahr, die der Terrorismus darstellt, ist begrenzt, er ist zumindest nicht in dem Maße vorhanden, wie es von Seiten der Medien dargestellt wird.
Auf der anderen Seite ist es möglich, dass sich unter den Wählern der AfD Menschen befinden, die früher für die Öffnung der Grenzen für Geflüchtete auf die Straße gegangen sind und Geflüchtete mit Geschenken und offenen Herzen empfangen haben. Unter ihnen sind Arbeiter, Studierende, Rentner, alleinerziehende Mütter und Angestellte. Es handelt sich um Menschen, die trotz unterschiedlicher politischer Zugehörigkeit ähnliche Positionen beziehen. Einst einte sie die “Willkommenskultur”, nun sind es Zweifel und auch Ängste. Diese beziehen sich nicht nur auf das fremde Andere, sondern auch auf das Verhalten der Bundesregierung und der etablierten Parteien, die sie beim Thema Asyl, das in der Presse und im Alltag so viel Raum einnahm, im Stich ließen. Die etablierte Politik hat keine Lösungen präsentiert, die diese Zweifel und Ängste ernst nahmen.
Natürlich dürfen wir den Rechtsruck nicht einfach so hinnehmen. Allerdings zeigen die ersten Reaktionen deutlich, dass der deutsche Bürger, der um seine Demokratie, seine Sicherheit, den wirtschaftlichen Wohlstand und den Pluralismus in seiner Gesellschaft bangt und gleichzeitig von Alltagssorgen geplagt ist, gleichermaßen besorgt ist über die Ergebnisse der Bundestagswahl wie der Migrant. Letztlich sind sie beide nur Spielfiguren, die in der Politik gegeneinander ausgespielt werden.
Übersetzung: Serra Al-Deen, Mahara-Kollektiv, aldeen@mahara-kollektiv.de