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EXILLITERATUR: Worte für die Liebe, Worte für den Tod

Von Lilian Pithan

Eine lyrische Form zu finden für das Sprechen über Liebe und Begehren war schon immer eine der Hauptbeschäftigungen vieler Dichterinnen und Dichter. So auch im arabischen Raum, der zwar andere Bilder und intertextuelle Verweise in seiner Lyrik transportiert, aber gleichzeitig vertraute Topoi (Liebe – Tod – Gott – Existenz) bearbeitet. In der von Khalid Al-Maaly zusammengestellten Anthologie Die Flügel meines schweren Herzens, die einen Überblick über die Lyrik arabischer Dichterinnen vom 5. Jh. bis heute gibt, kann man das gut nachlesen. Der Titel leitet sich aus einem Gedicht von Fadwa Tuqan (1917-2003) ab, einer der wichtigsten palästinensischen Lyrikerinnen des 20. Jh.s, die in „Pubertät“ die Zerrissenheit eines jungen Mädchens zwischen zwei Liebhabern schildert.

Nicht nur Tuqan, sondern die meisten der in der Anthologie versammelten Lyrikerinnen thematisieren ihre Beziehungen zu Männern, sei es zum Vater, zum Ehemann oder zum Liebhaber, und sind dabei überraschend radikal: Sie reflektieren Schönheitsnormen, kritisieren die Gesellschaft, in der sie leben, und finden starke Worte für ihr erotisches Begehren. Besonders die teils sehr witzigen Verse von Beduininnen aus vorislamischer Zeit tragen eindeutig feministische Züge. Auch die Gedichte aus dem 20. Jh. drehen sich häufig um die Rolle der Frau und brechen mit klassischen Lyriktraditionen. Dazwischen tun sich in der Anthologie einige Lücken auf, die der Herausgeber mit der uneinheitlichen Qualität weiblicher Lyrik zwischen der Eroberung Bagdads 1258 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs erklärt.

Das wirft aus literaturhistorischer Perspektive natürlich mehr Fragen auf als dass es sie beantwortet. Überhaupt scheint die Struktur der Anthologie, die eine Neuauflage einer gleichnamigen Ausgabe von 2008 ist, erweitert um die arabischen Originale und um Texte von zehn zeitgenössischen Lyrikerinnen, dem Verständnis eher im Wege zu stehen. Ein detaillierteres Inhaltsverzeichnis hätte die Lektüre um einiges erleichtert. Die deutschen Übersetzungen von Al-Maaly und Heribert Becker haben leider einige Kanten und spiegeln unterschiedliche Schreibstile oder Epochen kaum wider.

Abgesehen von strukturellen und sprachlichen Mängeln lassen sich in der Anthologie aber einige wunderbare Entdeckungen machen. Dazu gehören Iman Mirsal (*1966) und Suad As-Sabha (*1942), aber auch Dahiya Al-Hilaliya (vor 600) und Aisha Arna’ut (*1946). Viele der Lyrikerinnen, die im 20. Jh. geboren sind, leben mittlerweile im selbstgewählten oder erzwungenen Exil. Vor dem Hintergrund der militärischen Konflikte in der arabischen Welt wundert es da nicht, dass die meisten Gedichte im letzten Drittel der Anthologie nicht von der Liebe handeln, sondern vom Tod.

Die Flügel meines schweren Herzens, übers. v. Khalid Al-Maaly und Heribert Becker, Manesse, 192 Seiten, 19,95 Euro

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