Isabel Eichenlaub ist nicht nur eine Musikerin, die außergewöhnliche Ausdrucksformen findet, sondern auch eine Cellistin, durch deren Spiel man die tiefe Bedeutung der Musik erleben kann. Besonders deutlich zeigt sich das, wenn sie in Schifferstadt den luxuriösen Orchestersaal verlässt, um Konzerte mit Geflüchteten und für Geflüchtete zu machen. Abd Alrahman Alqalaq hat sie für ABWAB zum Interview getroffen.
Seit zwei Jahren machen Sie ehrenamtlich Musik für Geflüchtete. Wie kam es dazu?
Isabel Eichenlaub: Ich wollte in Schifferstadt ein Konzert geben: zur Hälfte mit klassischer Musik für Cello und Klavier, zur Hälfte mit Kompositionen von Künstlern, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach, im Exil lebten. Sehr viele deutsche Musiker emigrierten, weil sie jüdisch waren oder nicht systemkonform komponierten. Ich habe ein Programm mit Musik dieser Komponisten zusammengestellt und wollte so einen Bezug zu Schifferstadt schaffen, aber auch zu den Menschen, die aus ihren Ländern geflohen sind und jetzt hier leben. Ich wollte helfen, weil ich spürte, dass es den Flüchtlingen wichtig war, Räume zu haben, in denen sie Kontakt mit Deutschen knüpfen können. Aber ich spreche kein Arabisch! Ich kann nur durch meine Musik sprechen und das war mein Angebot. Die Menschen und ihre Musik wollte ich kennen lernen, um ihre Melodien auf dem Cello oder Klavier zu spielen. In der Sprache der Musik gibt es keine Missverständnisse. Sie kann nur die Unbedingtheit in Tönen beschreiben.
Glauben Sie, dass Musik Geflüchtete fröhlich machen kann?
Isabel Eichenlaub: Da bin ich mir nicht ganz sicher. Am Anfang dachte ich: „Bestimmt kommen ganz viele.“ Aber ich merkte schnell, dass dem nicht so ist. Dann versuchte ich, mich in die Menschen hineinzuversetzen und zu spüren, was und wie sie fühlen. Zwei Syrerinnen, die ich traf, fragte ich nach ihrem Lieblingssong und sie nannten „Enta Omri“ gesungen von Um Kulthum. Ich fand das Lied auf YouTube und bereitete es mit einem Gitarristen und einem Saxofonisten vor. Später, als wir es den Frauen vorspielten, weinten sie vor Freude. Hier sieht man die Wirkung der Musik: Man kann für eine gewisse Zeit deine Probleme hinter dir lassen und musst nicht über sie nachdenken. Ich kannte Um Kulthum vorher gar nicht! Diese Arbeit erweitert auf jeden Fall meinen Horizont.
Entsprachen die Reaktionen den Erwartungen, die Sie hatten?
Isabel Eichenlaub: Leider kamen nur wenige Frauen, was ich sehr bedauerte. Wahrscheinlich mussten sie zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern. Bei den Männern war ich unsicher, wie sie reagieren würden, weil ich nicht wusste, wie sie mit Frauen zu reden gewohnt sind. Alles war ungewohnt, wie ein kleines Abenteuer. Aus diesen Gründen begleiteten mich mein Mann und meine kleine Tochter.
Wie vereinbaren Sie als Mutter Familie, Arbeit und Ehrenamt?
Isabel Eichenlaub: Das ist eine gute Frage. Man muss gut abwägen, gerade mit Familie, weil sie die erste Stelle einnehmen muss. Das ist oft schwer und nicht immer ausgewogen. Manchmal spüre ich, dass es zu viel für mich ist und ich eine Pause brauche, damit ich mehr für meine Familie da sein kann. Außerdem bekommt unsere Band für die Auftritte nur sehr wenig Geld. Davon wird z.B. ein Instrument gekauft. Ich selbst brauche Zeit, um mit Musikunterricht Geld verdienen zu können.
Was haben Sie beim Musizieren mit Geflüchteten gelernt?
Isabel Eichenlaub: Mein Horizont erweitert sich und zwar auf mehreren Ebenen: auf der musikalischen, der menschlichen, der gesellschaftlichen und der politischen Ebene. So erfahre ich, was wirklich in Syrien passiert. Durch die Medien hören wir, dass in Aleppo gebombt wird und 100 Kinder auf einmal getötet werden. Das macht für kurze Zeit traurig, doch dann schiebt man es wieder weg, wenn man keinen Kontakt mit Geflüchteten hat. Wenn ich mit Menschen zu tun habe, die von dort kommen, dann wird das auch zu meiner Sache.