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Sollten männliche Flüchtlinge in Deutschland für Männerrechte kämpfen?

Rima Al Qaq. MA in „Intercultural Crisis Management“

Übersetzung: Mohamed Boukayeo, Mahara-Kollektiv, boukayeo@mahara-kollektiv.de

Während ich diesen Artikel schreibe, informiert mich eine Freundin über eine Gruppe in Berlin, die Deutsche und Flüchtlinge zum Zwecke des Sprachaustauschs (Sprach-Tandem) zusammenbringt. Allerdings sei diese Gruppe nur für Frauen offen, fügt sie hinzu.

Als hätte mir noch ein letzter Beleg gefehlt, um mich zu überzeugen, dass es viel mehr Angebote für Frauen als  für Männer gibt. Täglich erhalte ich dutzende Emails mit Angeboten, die gezielt weibliche Flüchtlinge und Migrantinnen ansprechen. Darunter sind Sprach-, Koch-, Tanz-, und Yogakurse, Wohnungsanzeigen, Beichtgruppen, Gruppen zur Unterstützung von Kleinprojekten, Schreibgruppen, Theatergruppen, Computerkurse – die Liste ist lang.

Die Erfahrungen, die Frauen in diesen Gruppen machen, helfen ihnen dabei, viele Hürden zu überwinden, wie etwa die Sprachbarriere oder psychologische Probleme aufgrund des Krieges und der kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und dem Herkunftsland. Dies unterstreicht die immense Bedeutung der psychologischen und sozialen Unterstützung für Frauen, die aus Kriegsgebieten kommen. In ihren Gesellschaften hatten sie oft unter einer Gesetzgebung zu leiden, die den Mann bevorzugt, und unter sozialen Normen, die Unterdrückung und Ungleichheit mit sich bringen. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht die Tatsache ausblenden, dass auch die Männer aus Kriegsgebieten kommen, dass sie Opfer der gleichen Gesellschaft sind, die ihnen bestimmte Privilegien gegeben hat. Allerdings bekommen sie im Vergleich zu den Frauen keine richtige Unterstützung.

Womöglich ist die Angst vor dem Umgang mit Männern, die einen arabischen oder islamischen Hintergrund haben, ein Grund für diese Vernachlässigung. Auffällig ist das Stereotyp des Arabers / des Muslims im Westen, vor allem nach den Übergriffen von Köln und den Terroranschlägen in mehreren europäischen Städten. Der dunkelhäutige, bärtige Mann ist bis zum Beweis seiner Unschuld ein Verdächtiger. Die Konsequenzen dieses Generalverdachts belegen die vielen Geschichten, die sich an Flughäfen, Bahnhöfen, in Bars und sogar auf offener Straße zugetragen haben. Teil des Stereotyps ist die Beschreibung des Mannes als religiösen Fanatiker, der Frauen unterdrückt oder belästigt.

Leiden im Stillen

Die Aussetzung der Familienzusammenführung für zwei Jahre im Jahr 2016 hat das Schicksal ganzer Familien besiegelt. Viele Frauen finden unterschiedliche Wege, um anzukommen und sich zu beschäftigen, wie etwa durch Kindererziehung, Hausarbeit, die Teilnahme an Veranstaltungen und Programmen für weibliche Flüchtlinge, die Fortsetzung ihres Studiums oder die Wiederaufnahme ihres Berufs. Viele Männer dagegen neigen zu einer Isolation im Wartezustand und lehnen es ab, ihr neues Leben vor der Ankunft ihrer Ehefrauen und Familien zu beginnen. Sie erleben die Bitterkeit eines zurückgezogenen und einsamen Lebens, was in vielen Fällen zu psychischen und sozialen Störungen führt. In einem solchen Kontext brauchen auch Männer psychische und soziale Unterstützung, inklusive eines Angebots an gemeinschaftlichen Aktivitäten. Außerdem brauchen sie Vereinigungen, die sie aus ihrer Isolation holen und sie dabei unterstützen, die Sprachbarriere – und noch wichtiger: die Kulturbarriere – zu überwinden.

Was die rechtliche und soziale Stellung der Frau angeht, ist die Kluft zwischen Deutschland und Syrien sehr groß, sodass es dem arabischen Mann nicht einfach fällt, damit umzugehen. Das deutsche Recht behandelt alle Bürger – unabhängig vom Geschlecht – gleich. In einigen, wenigen Bereichen ist die Umsetzung des Gleichheitsgebots zwischen Mann und Frau allerdings noch strittig, so etwa beim Thema gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Außerdem wird die Frau in der Gesellschaft genauso behandelt wie der Mann, in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz und auf der Straße.

Die Ablehnung oder fehlende Akzeptanz dieser Gleichheit durch männliche Flüchtlinge ist eines der Faktoren, die die Stereotypen verstärkt haben: Die männlichen Flüchtlinge lehnen die Frauenrechte ab, während die weiblichen Flüchtlinge zweifache Opfer darstellen, erstens Opfer des Krieges und zweitens Opfer der Männer. Die männlichen Flüchtlinge ihrerseits fühlen sich benachteiligt und verlieren ihr Vertrauen in die neue Gesellschaft.

Vor dem Hintergrund dieser Unterschiede erscheint das Leid der Männer größer als das der Frauen, die in der deutschen Gesellschaft neue Freiräume und im deutschen Recht Gerechtigkeit gefunden haben. So nimmt ihre materielle Unabhängigkeit zu, und mit ihr die Scheidungsraten, der Familienzerfall, und die Inanspruchnahme des deutschen Rechts in Familienkonflikten. Auf der einen Seite fühlen viele männliche Flüchtlinge den Verlust ihrer gewohnten, absoluten Macht innerhalb der Familie, und auf der anderen Seite fällt es ihnen schwer, eine Arbeit zu finden, sodass viele Familien nicht mehr finanziell auf sie angewiesen sind. All diese Veränderungen haben psychische Auswirkungen zur Folge, die man keinesfalls ignorieren sollte.

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