Souad Abbas – Chefredakteurin
Nach einer mehrmonatigen Unterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie erscheint die neue Abwab-Ausgabe wieder in gedruckter Form. Zu den Themen, die momentan die Welt beschäftigen, zählt der Kampf gegen Corona, der noch lange nicht vorbei ist. Zwar lassen die tödlichen Auswirkungen des Virus langsam nach, doch sehen sich die Regierungen einer ökonomischen Rezession gegenüber, deren Folgen sie abzumildern versuchen. Das Bruttoinlandsprodukt der größten Volkswirtschaften schrumpfte um Billionen US-Dollar. Diktatorische Regime nutzen ihrerseits die Krise, um ihre Herrschaft über die eigenen Bevölkerungen zu festigen.
Das rassistisch motivierte Verbrechen, das den Afroamerikaner George Floyd das Leben kostete, löste wütende Demonstrationen in den USA und darüber hinaus aus. Die Demonstrationen waren ein Aufschrei gegen Rassismus und Unterdrückung unter dem Motto „Black Lives Matter“. In den sozialen Medien wurden unterschiedliche Diskriminierungsformen, die auf Ablehnung des „Anderen“ basieren, kontrovers diskutiert. Dabei ging es neben der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft auch um Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität. Die Debatte stand unter dem Eindruck des tragischen Todes der linken ägyptischen LGBTQ-Aktivistin Sarah Hegazi. Sie war in Ägypten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet, sexuell belästigt und gefoltert worden. Diese Traumata drängten sie im kanadischen Exil in den Selbstmord.
Der Vorfall katapultierte ein Thema ins Rampenlicht, das vorher kaum ein Syrer oder Araber öffentlich anzusprechen gewagt hatte. Auffällig war ein offenkundiger Widerspruch: Viele solidarisierten sich mit George Floyd als Opfer von Rassismus in den USA. Sie verurteilten die Diskriminierung, die auch sie tagtäglich im Exil erleben. Wenn es aber um Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität geht, wechseln sie die Seiten und stellen sich gegen die Opfer.
Trotz der verhärteten Fronten und des rauen Tons markiert diese Debatte den Beginn einer neuen Etappe in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Diskriminierungsformen. Die Diskussion der Konzepte und Sichtweisen sollte in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Vielleicht trägt sie dazu bei, den Respekt vor Sarah Hegazi und Millionen anderen Betroffenen wiederherzustellen und ihr Existenzrecht anzuerkennen.
Auch Syrien blieb in der ersten Jahreshälfte 2020 nicht von einer weiteren Tragödie verschont. Diesmal ist es der Hunger, begleitet vom aufflammenden Konflikt um das sogenannte „Caesar-Gesetz zum Schutz syrischer Zivilisten“. Das US-Gesetz ist nach dem anonymen Fotografen benannt, der Beweismaterial für Folter und Mord in Syrien seit 2011 lieferte. Es sieht Sanktionen gegen alle vor, die in bestimmten Wirtschaftszweigen mit dem syrischen Regime Geschäfte machen. Wird das Gesetz dazu beitragen, die Bevölkerung zu schützen, oder wird es ihr Leid nur vergrößern? Während diese Frage kontrovers diskutiert wird, verbreiten sich Caesars Fotos von Folter und Tod in Assads Gefängnissen wie ein Lauffeuer.
Es gibt aber auch einen Funken Hoffnung auf Gerechtigkeit: Beschuldigte, denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien zur Last gelegt werden, werden zunehmend strafrechtlich verfolgt. Allerdings sollte sich die Verfolgung nicht nur auf Sündenböcke von niederem Rang beschränken, sondern auch alle Drahtzieher einschließen, die sich gegenüber dem syrischen Volk strafbar gemacht haben. Dazu zählt an allererster Stelle der Kopf des Regimes.
Übersetzung: Mohamed Boukayeo, Mahara-Kollektiv, boukayeo@mahara-kollektiv.de
Auch interessant
CORONA – Viel mehr als nur eine Gesundheitskrise
Syrer klagen gegen Assad-Regime