Von Ramy Al-Asheq
Das Thema Integration wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Der Umgang mit dieser aktuellen Frage stützt sich jedoch meistens auf ein falsches Verständnis von Integration. Die Regierung hat ihre Auffassung von Integration, NGOs haben eine eigene Auffassung und die Flüchtlinge ebenfalls. Auf Seiten der Regierung herrscht bei diesem Thema so ein Durcheinander, dass die zuweilen von außen aufgezwungene „Eingliederung“ kläglich scheiterte. Und zwischen diesen beiden Begriffen – einer freiwilligen Integration und einer erzwungenen Eingliederung – besteht ein riesiger Unterschied. So konzentriert sich etwa die Politik der Regierung auf 600 Stunden Sprachkurs und 60 Stunden Orientierungskurs, als ob ein Abriss der Sprache und ein flüchtiger Blick auf die Kultur einen Menschen integriert.
Die NGOs arbeiten ebenfalls mit einem speziellen Konzept von Integration. Ihr Unterricht der etwas anderen Art konzentriert sich darauf, Selbstverständliches zu erklären und dem aus dem „Dschungel“ kommenden Flüchtling beizubringen, wie man unter Menschen lebt. Einige von ihnen gaben zum Beispiel Publikationen heraus über die Benutzung von Toiletten. Andere verbreiteten Videos, die erklärten: „Wenn eine Frau hier in Deutschland krank wird, kann sie zum Arzt gehen.” Als ob eine Frau in unserem Land zur Hebamme oder in den Friseursalon geht, wenn sie krank ist!
Gleichzeitig dachten viele Flüchtlinge, Integration sei so, wie sie es sich vorgestellt haben und aus Vorurteilen und Stereotypen kennen. Und so begann Integration, „koexistieren“ statt „leben“ zu bedeuten, oder führte zu einem Gefühl der Minderwertigkeit und der Radikalisierung gegenüber dem Rest der Flüchtlinge. Je narzisstischer und arrogant gegenüber den „rückständigen terroristischen“ Flüchtlingen ein anderer Flüchtling wurde, desto besser integriert fühlte er sich.
Was ist also Integration? Ist es ein Prozess in eine Richtung, ein einseitiger Vorgang? Muss der Flüchtling sich in die Gesellschaft einfügen und dabei all seine Gewohnheiten mit einem Schlag aufgeben? Das wäre keine Integration sondern eine Entfremdung, die zu der Entstehung entstellter Gesellschaften führt, unfähig sich von ihrem Erbe zu lösen, unfähig Neues aufzunehmen.
Ist es mit dem Erlernen der Sprache getan? Sicherlich genügt die Sprache alleine nicht. All dies ist keine Integration, denn es kann keine wirkliche Integration geben, ohne sich gegenseitig zu kennen. Integration und Stereotypen passen ebenso wenig zusammen wie Integration und Unwissenheit. Auf diese Weise würden wir uns nur selbst verbarrikadieren und Minderheitenstaaten bilden.
Integration hat drei grundlegende Voraussetzungen, die gegeben sein müssen: erstens das Wissen über den anderen, seine Kultur, Geschichte und Bräuche, seine Gesetze, Probleme und seine Art und Weise zu denken; zweitens das gegenseitige Beeinflussen, das Lernen und Lehren, das aktive Schritte Unternehmen um über die gesamte Kultur, die Werte und den Lebensstil aufzuklären; drittens Respekt. Und Respekt heißt nicht ignorieren, sondern den anderen und seine Wahl anzunehmen, sein Recht auf Entscheidungsfreiheit zu verteidigen. Ohne dies ist das, was Integration genannt wird, nichts anderes als eine große Lüge!
Aus dem Arabischen übersetzt von Sophie Schabarum